Die Steampunk-Chroniken: Mechanische Geister

cover_mechanische_geister-187x300Als interessierter Geist mache ich gerne mal einen Ausflug in unbekannte literarische Gefilde. Das Steampunk Genre bietet da von der Idee her eine spannende Mischung zwischen Science Ficton und Fantasy und wird in den Retro-Futurismus eingeordnet. Namensgebend ist dabei, dass die Technik dieser Zukunftsalternative vorwiegend dampfgetrieben ist. Ich hatte schon einiges darüber gelesen, und mit Mechanische Geister, eine Anthologie aus der Steampunk-Chroniken Serie, bot sich aus meiner Sicht eine gute Gelegenheit dazu an. Ebenfalls Neuland: die Anthologie steht unter Creative Commons Lizenz und ist gar kostenlos über die Heimatwebseite der Serie zu beziehen. Mein “Exemplar” lud ich via einem größerem Online-Händler, um das Projekt zu unterstützen. Herausgeber der Serie ist Stefan Holzhauer.

Bei einer Sammlung von Kurzgeschichten ist es schwer, ein generelles Urteil zu fällen. Zumindest kann ich aber dazu sagen, dass mir nicht langweilig geworden ist und das Genre einen gewissen Charme und Reiz ausübt. In dieser Anthologie kam noch hinzu, dass die Stories den Stil klassischer Schauergeschichten als Vorbild hatten, was im Großen und Ganzen für alle Beiträge als sehr gelungen zu bezeichnen ist.

Doch kommen wir zu den Einzelbeiträgen.

  • Die Vermauerte Tür und Der Schiffsbrüchige aus Sumatra von Tedine Sanss:
    Von Tedine Sass sind gleich zwei Geschichten in der Sammlung zu finden, die beide den Geisterjäger Arthur Gunn als zentrale Figur haben und sogar aufeinander aufbauen. Gunn bezeichnet sich selbst als Wissenschaftler, Maschinenbauer und Erfinder von Geräten zum Nachweis übernatürlicher Phänomene. Und so zieht er in der ersten Geschichte aus, um einen jungen Mann von seinem Plagegeist zu befreien, und in der zweiten, um das merkwürdige Verhalten eines Ehemanns aufzuklären. Sass bedient sich dabei einer sehr bildhaften Schreibe, die Charaktere wirken und handeln glaubhaft. Die Erzählungen erkunden nachvollziehbar die Mysterien der Fälle und kommen über kurze und amüsante Umwege auf überraschende Lösungen. Beides sehr erquickliche Lesevergnügen, die für eine gute Einführung und einen gelungenen Abschluss der Anthologie sorgen.
  • Annabelle Rosenherz und die seltsamen Ereignisse im Kloster Lichtenthal von Anja Bagus:
    Æther ist eine Herzensangelegenheit von Anja Bagus. Sie hat bereits ein größeres Standing in der Steampunk-Szene und entsprechend gereift wirkt ihre Story und ihr Stil. Hier ist ihre Heldin Annabelle mit ihrem Ehemann unterwegs um mysteriöse Vorfälle in einem Kloster zu untersuchen, was sie zu schauerhaften Wesen führt. Eine amüsant und spannend geschriebene Story, die auch nicht vergisst, die Charaktere der Protagonisten zu beleuchten.
  • Die letzte Nacht von Erik Schreiber:
    Gerald fühlt sich beobachtet, verfolgt und letztlich verängstigt, insbesondere durch die Träume seiner Kathy, die ihn im Sarg liegend fühlte. Die Story ist eher eine Charakterstudie über den Protagonisten, seine angehende Beziehung mit dem Modell, und deren Träumen, die wahr zu werden scheinen. Recht ansprechend geschrieben, wenn auch mit Längen, allerdings fehlt hier der (zwingende) Bezug zum Steampunk-Genre.
  • Advent, Advent von Kirsten Brox:
    Eine wahrhaftige Gruselgeschichte, in der man Mary beim wahnsinnig werden erleben kann. Die Aufklärung folgt am Schluss, aber das Ende setzt noch einen oben drauf. Interessante und glaubhaft geschriebene Charaktere runden die spannende Story ab. Jedoch fehlt mir auch in diesem Fall der Bezug zum Steampunk-Genre. Die Handlung könnte auch im Jetzt spielen.
  • Der mechanische Geist von Ricarda Tesch:
    Die Geisterjägerin Emily Temple wird engagiert, einen vermeintlichem Spuk aufzuklären, und muss dabei noch ungewollt mit einem anderen Jäger zusammenarbeiten. Tesch hat hier eine amüsant-spannende Story geschrieben, in der auch die Eigenheiten der Charaktere und die Entwicklung ihrer Beziehung zueinander nicht zu kurz kommen.
  • Die Sümpfe von West Ammingham von Yola Tödt:
    Bürger sterben aus mysteriösen Gründen im Sumpf nahe West Ammingham, und Sir Blackwood wird als Experte hinzugezogen. Die Handlung spielt hernach hauptsächlich im Sumpf und folgt den Nachforschungen Blackwoods. Die für mich originelle und spannende, aber auch leicht amüsant geschriebene Story könnte ein wenig formatierter daherkommen, als in den riesigen, das Lesen erschwerenden Absätzen. Inhaltlich weiß die Schreibe jedoch zu überzeugen und Lesefreude zu bereiten.
  • Der Engel aus Montreal von Christian Heck:
    Als André zu seiner Reise nach London aufbricht, ahnt der junge Erfinder noch nichts von dem Schicksal, dass ihn dort ereilen will. Der Leser auch nicht, und so gerät die eher harmlos anmutende Geschichte zu einem Erlebnis mit schaurigem Ende. Mit leichten Spannungswellen versehen erhält man hier eine sehr unterhaltsame Story mit geschickt vorangetriebener Handlung.
  • Dritter Versuch von Dieter Bohn:
    Eine sehr amüsante und dennoch schaurige Geschichte der anderen Art spannt sich um Gustav Müllenberg, eine Art Gestaltwandler, der die Identität von Toten annimmt. Mit dem Ausgang seiner neuesten Verwandlung hat er jedoch nicht gerechnet. Und so erhält der Leser ein gut geschriebenes, spaßiges Schriftwerk mit sicherlich überraschendem Ausgang.
  • Der letzte Abend von Michael Edelbrock:
    Die Geschichte mutet zunächst an, wie die Unterhaltung zweier Wissenschaftler, von denen einer eine spannende Entdeckung bezüglich Geister vortrug. Doch natürlich kommt es schlussendlich anders als man denkt, und das gleich doppelt. Da die Erzählung hauptsächlich eine Entdeckungschilderung ist, fehlt es leicht an der Spannung, die sich aus der direkten Handlung ergibt. Aber die Überraschungen zum Ende gehen in der Form gut auf.
  • Maximilian von Homburg – Der Hauch des Todes von Gerd Samrowski:
    Der leicht snobistisch wirkende Professor von Homburg wird zu mysteriösen Todesfällen hinzugezogen und befindet sich kurz darauf auf einer Geisterjagd durch Düsseldorf. Eine sehr flott geschriebene Geschichte mit gutem Spannungsbogen und geisterhafter Verbrecherjagd. Gewürzt mit sehr lebendigen und stereountypischen Charakteren.

Die Anthologie ist sicherlich ein schöner Weg, um sich in das Genre einzufinden und die Autoren ein wenig kennenzulernen. Von Anja Bagus liegt bereits ein eigener Roman auf meiner Leseliste, und auch nach weiteren Werken der anderen Autoren werde ich sicherlich Ausschau halten.

 

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